Audit ist nicht nur eine Pflicht

Während meiner fast 18-jährigen Tätigkeit als Wirtschaftsprüfer werde ich von Mandanten immer wieder nach der Sinnhaftigkeit einer Wirtschaftsprüfung gefragt. Die Geschäftsleitung beschäftigt sich mit dieser Frage verständlicherweise meist bei der Prüfung und Verhandlung der Vertragsbedingungen. Manch einer betrachtet es suggestiv als Verpflichtung.  Jedoch sollte die unternehmerische Wertschöpfung ihrer Geschäftstätigkeit im Fokus stehen.

Jedoch kann aus bestimmter Sicht diese Meinung nicht vorbehaltlos auf kleinere Unternehmen übertragen werden, deren Inhaber meist alleine und täglich aktiv vor Ort sind und keine externen Finanzierungsquellen erfordern, außer den laufenden Lieferkrediten („Einkäufe auf Rechnung“). Allerdings macht auch in diesem Fall eine Abschlussprüfung Sinn und hat ihre Bedeutung. Es stellt sich die Frage, der Notwendigkeit einer Komplettüberprüfung.

Bei der Beurteilung des Beitrags der Finanzprüfung ist es gut sich am Anfang dessen bewusst zu werden, dass es um eine Drei-Parteien-Beziehung geht:

  • Die Geschäftsleitung haftet für die richtige Erstellung des Jahresabschlusses, der ein tatsächliches Bild über die Finanzlage, Finanzleistungsfähigkeit und Cashflows in der Gesellschaft vermittelt.
  • Der Wirtschaftsprüfer ist eine objektive und unabhängige Person, die die Richtigkeit des erstellten Jahresabschlusses prüft und mit seinem Bestätigungsvermerk bezeugt, dass die Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung und der Jahresabschluss unverzerrt und vertrauenswürdig sind sowie dass man sich auf diese Angaben mit einem hohen Sicherheitsmaß verlassen kann.  
  • Der Nutzer des Jahresabschlusses als einer Informationsquelle ist die die dritte außerhalb des Unternehmens stehende Partei. Der geprüfte Jahresabschluss dient ihm als eine der Eingangsinformationsquellen über das Unternehmen und ihre tatsächliche Finanzlage.   

In einem breiteren Kontext kann gesagt werden, dass die Wirtschaftsprüfung hilft ein transparentes und vertrauensvolles Unternehmensumfeld zu schaffen und Wirtschaftsprüfer so zu sagen im öffentlichen Interesse wirken.

 

Der Beitrag der Prüfung für die Nutzer des geprüften Jahresabschlusses ist aus dem oben Genannten offensichtlich. Der Wirtschaftsprüfer übt seinen Beruf aus, für den er die erforderliche Qualifikation und Berechtigung hat.  

Welchen Wert bringt die Prüfung aber der geprüften Gesellschaft und deren Geschäftsleitung?

Das gewöhnliche Argument ist die Anforderung der Banken, Gläubiger oder Investoren, die von der Geschäftsleitung eine geprüfte Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung und einen geprüften Jahresabschluss verlangen, damit sie glaubwürdige Unterlagen für die Beurteilung potentieller Risiken haben und Entscheidungen treffen können, ob und unter welchen Bedingungen sie bereit sind der Firma Finanzierung zu gewähren.  

Dies ist aber nur eines der Beispiele einer geschäftlichen Zusammenarbeit auf dem freien Markt, für das die Prüfung eine gewisse Absicherung darstellt.

Auch wenn die Gesellschaft keine externen Finanzierungsquellen benötigt oder kein Emittent von gehandelten Wertpapieren ist, gibt es hier weitere Geschäftspartner – Lieferanten, Abnehmer, die vor dem Beginn der Zusammenarbeit die Glaubwürdigkeit überprüfen und etwaige Risiken der Gegenpartei beurteilen. Ihre ersten Schritte führen oft z. B. auf das Portal justice.cz oder in spezialisierte Firmenregister und Datenbanken, wo sie unter anderem die letzten vorhandenen Jahresabschlüsse einsehen können und sich eine bessere Vorstellung darüber machen können, ob die Firma erforderliche Voraussetzungen für die Erfüllung ihrer Geschäftsverbindlichkeiten erfüllt und imstande ist ihre Rechnungen für die Lieferungen von Waren oder Erbringung von Dienstleistungen zu begleichen, ihre Tätigkeit zu finanzieren oder zuverlässig Lieferungen für ihre Abnehmer sichern kann.  Ganz bestimmt werden sie sich sicherer fühlen, falls die vorhandenen Informationen vom unabhängigen Wirtschaftsprüfer geleistet wurden, und in einem Auswahlverfahren kann es (und oft ist es auch so) einer der Parameter des Ausschreibungsverfahrens sein.

Ein spezifisches Beispiel dafür, wenn der Wirtschaftsprüfung einer Gesellschaft eine riesige Aufmerksamkeit geschenkt wird, sind dann Unternehmenstransaktionen wie z.B. Verschmelzungen, Akquisitionen oder Unternehmensveräußerungen. Die Analyse der finanziellen Gesundheit der Gesellschaft, die der Gegenstand der Transaktion ist, kann bedeutend sowohl den Preis und die Bedingungen als auch die Entscheidung selbst beeinflussen, ob das beabsichtigte Geschäft umgesetzt wird.  

Im Falle größerer Transaktionen lässt sich der Käufer in der Regel vor der Unternehmensakquisition eine Due-Diligence-Prüfung erarbeiten, in deren Rahmen auch die Finanzunterlagen geprüft werden. Damit wird gewöhnlich ein unabhängiger externer Berater beauftragt. Geht er von geprüften Jahresabschlüssen für die letzten Geschäftsjahre aus, kann er sich auf diese Daten stützen und dann detailliert nur auf die Beurteilung gewählter spezifischen Risiken und Gebiete fokussieren, was ihm den Arbeitsaufwand und dem Mandanten Kosten spart.  

Sind keine geprüften Angaben vorhanden, kann sich das in den Bedingungen der Transaktion widerspiegeln, z.B. direkt im Kaufpreis mit Rücksicht auf das empfundene höhere Risiko, oder in Verhandlungen über Nachakquisitionspreisanpassungen (was wiederum die Kompliziertheit der Verträge, Verhandlungen über diese und insgesamt die Transaktionskosten erhöht).

Ein weiteres Beispiel kann ein Unternehmen oder eine Unternehmensgruppe (ein Konzern) sein, deren Inhaber sich entschlossen die Unternehmensleitung an ein geschäftsführendes Management zu übergeben. Sie beaufsichtigen die Tätigkeit und den Betrieb und die Wirtschaftsprüfung dient ihnen nur als eine unabhängige Bestätigung dafür, dass sie den von dem geschäftsführenden Management berichteten Finanzkennziffern und Angaben vertrauen können. In unserer Praxis hatten wir in BDO auch schon einen Fall, als wir während der Wirtschaftsprüfung Unstimmigkeiten in Unterlagen entdeckten und bei einer näheren Prüfung dann eine Veruntreuung der Geschäftsleitung gegenüber den Inhabern entdeckten.

Auch für die Mitarbeiter sind die Jahresabschlüsse relevant. Menschen wollen für stabile und vertrauenswürdige Unternehmen arbeiten. Aus den Vorstellungsgesprächen mit Bewerbern um die Arbeit für BDO machte ich eigene direkte Erfahrungen damit, dass sie oft die Jahresabschlüsse der potentiellen Arbeitgeber einsehen. Aus meiner Erfahrung heraus kann selbstverständlich auch die Tatsache Einfluss haben, dass ich Menschen mit Interesse für Rechnungswesen und Finanzen treffe. Andererseits wenn ein Unternehmen Mitarbeiter für hohe Managerpositionen oder sogar für ihren Vorstand sucht, werden beide Parteien prägnant und sorgfältig sein. Auch hier ist zu erwarten, dass die Finanzlage des potenziellen Arbeitgebers und die Informationen darüber eine Rolle bei der Entscheidung spielen werden.  

Bisher widmete ich mich dem Thema nur aus Sicht dessen Endoutputs, d.h. aus Sicht des Wirtschaftsprüferberichts, der samt dem geprüften Jahresabschluss veröffentlicht wird. Der ist aber “nur” das Ergebnis und die Zusammenfassung der wesentlichsten Erkenntnisse des ganzen Prozesses, so zu sagen die Kirsche auf der Torte.

Die Wirtschaftsprüfung ist ein komplexer Prozess und sie bringt unter bestimmten Umständen auch viele andere Informationen über die Finanzleitung der Gesellschaft. Aus diesen können sich dann weitere Outputs, Feststellungen und Empfehlungen ergeben, die für die Geschäftsleitung und die mit der Verwaltung und Leitung beauftragten Personen nützlich sein können.

In BDO erstellen wir für unsere Mandanten die Zusammenfassung der Schlüsse, weitere Feststellungen und Empfehlungen in Form des sog. Management Letters, der als eine Unterlage für die Besprechung mit der Geschäftsleitung und auch als ein schriftlicher Output für den Mandanten dient. 

Als ich darüber nachdachte, was zu den häufigsten Feststellungen gehört, auf die wir bei unseren Mandanten stoßen, fiel mir auf, dass es nützlich wäre, eine kleine Analyse der Feststellungen durchzuführen die sich am häufigsten wiederholen. Zusammen mit den Kollegen in unserem Prager BDO-Büro in Chodov gingen wir die Management Letters für die letzten zwei Jahre durch und gelangten zu interessanten Schlüssen, denen ich den nächsten Artikel widme.

 

Jan Macháč, Partner, Audit

jan.machac@bdo.cz