Im Leitartikel befasste ich mich damit, welche Wertschöpfung die Wirtschaftsprüfung für die geprüfte Gesellschaft hat. In diesem Artikel möchte ich an dieses Thema anknüpfen.
Die Standards, denen die Durchführung einer Wirtschaftsprüfung unterliegt, erlegen dem Wirtschaftsprüfer die Pflicht auf, mit der Geschäftsleitung und den mit der Verwaltung und Leitung beauftragten Personen die bedeutenden Feststellungen aus der Prüfung, insbesondere die festgestellten Mängel im internen Kontrollsystem mit der Auswirkung auf die Buchhaltung, die Meinungen über qualitative Aspekte der Anwendung der Buchhaltungsverfahren von der Geschäftsleitung sowie andere Schwierigkeiten, die bei der Wirtschaftsprüfungsdurchführung festgestellt wurden, zu besprechen. Die Abschlussprüfung ist heutzutage keine Prüfung der Richtigkeit der Buchung der Buchhaltungsbelege, sondern ein Prozess, der von der Risikobewertung bedeutender Unrichtigkeiten ausgeht, deren Grundlage eine gute Kenntnis der Tätigkeit der geprüften Gesellschaft und des Kontrollumfelds in Bezug auf die Rechnungslegung ist.
Gerade dank diesem Verfahren sollte der Wirtschaftsprüfer imstande sein, etwaige Mängel zu identifizieren und als eines der „Nebenprodukte“ der Wirtschaftsprüfung ist die Erteilung von Informationen und Hinweise für die Verbesserung einschließlich praktischer Empfehlungen.
Der richtigen Interpretation halber ergänze ich, dass es sich um Feststellungen handelt, die interne Prozesse und interne Kontrollen betreffen, wo wir einen Raum für die Verbesserung und höhere Effizienz sehen. Hier sprechen wir nicht über Vorkommen von Unstimmigkeiten, also über Unrichtigkeiten in Jahresabschlüssen, die eine Auswirkung auf das Ergebnis der Prüfung und den Bestätigungsvermerk des Wirtschaftsprüfers selbst haben.
Was gehört zu den häufigsten Feststellungen, die bei unseren Mandanten vorkommen?
In Zusammenarbeit mit anderen Wirtschaftsprüfungspartnern gingen wir durch und werteten wir Informationen aus, die wir den leitenden Vertretern der geprüften Gesellschaften in den letzten zwei Jahren als Feedback über die Verwaltung, Leitung und Prozesse der internen Kontrollen übergaben. Es handelte sich überwiegend um tschechische Produktions- und Handelsfirmen oder Zweigniederlassungen multinationaler Konzerne. Von ca. 500 Abschlussprüfungen besprachen wir insgesamt 131 Feststellungen und zusammenhängende Empfehlungen.
Die Feststellungen teilten wir in 5 Bereiche nach ihrer sachlichen Natur auf. Der nachstehenden Graphik ist deren anteilsmäßige Vertretung zu entnehmen:
Die häufigsten Feststellungen des Wirtschaftsprüfers
- Buchführung-Anwendung von Buchhaltungsmethoden (30%)
- Steuern und Verrechnungspreise (27%)
- Rechtsvorschriften (20%)
- Buchführung – interne Prozesse (16%)
- Interne Firmenprozesse/IT (7%)
BUCHFÜHRUNG
Die meisten Befunde (46 %) betreffen die Buchführung, vor allem die Anwendung der Buchhaltungsmethoden von den Gesellschaften. Die Gesellschaften machen oft Fehler in Operationen mit Buchhaltungsabschätzungen (z. B. Bildung von Wertberichtigungsposten und Rückstellungen, Festlegung der handelsrechtlichen Abschreibungen nach den steuerrechtlichen, Buchung von Derivaten) und im Bereich der Vorräte geht es dann um Kalkulationen bei Produktionsunternehmen.
Für buchhalterische Abschätzungen gilt wie es sich schon aus der Definition heraus ergibt, dass die nachfolgende Tatsache oftmals von der ursprünglichen Abschätzung abweicht. Anders gesagt, mit buchhalterischen Abschätzungen ist untrennbar ein gewisses, mal größeres, mal kleineres Unsicherheitsmaß verbunden. Oftmals kommt es vor, dass Geschäftsleitungen bei laufenden buchhalterischen Abschätzungen wie Wertberichtigungsposten auf Forderungen, Vorräte oder bei einigen Arten von Rückstellungen die in der Vergangenheit eingeführten Verfahren im Sinne „… wir haben es doch immer so gemacht“, oder die im Rahmen der Konzernbuchhaltung eingeführten Methoden immer wieder anwenden, ohne selbst regelmäßig auszuwerten, ob es geeignet ist die Anwendung der Verfahren in Hinblick auf den konkreten Fall und konkrete Umstände fortzusetzen. In der Praxis heißt es die Notwendigkeit retrospektive Überprüfung der Abschätzungen durch deren Vergleich mit der Folgetatsache durchzuführen und im Falle größerer Unterschiede sich Gedanken darüber zu machen, was deren Ursache ist. Es kann sich zeigen, dass die gewählte Methodik nicht geeignet ist weiterhin anzuwenden, da sie nicht sämtliche Informationen und Tatsachen umfasst, die für die jeweilige Abschätzung relevant sind und waren, oder die Voraussetzungen über das Niveau einiger Inputs nicht mehr den Umständen entsprechen.
Eine ungeeignete Anwendung von Buchhaltungsmethoden kommt auch relativ oft im Falle der Abschreibung des Anlagevermögens vor, was auch eine Kategorie der Buchhaltungsabschätzung ist. In unserer Praxis haben wir Fälle erlebt, in denen in Inventarverzeichnissen des Anlagevermögens bereits voll abgeschriebenen Position standen, auch wenn sie von der Gesellschaft weiterhin genutzt wurden. Andererseits gibt es auch Fälle, in denen Gesellschaften infolge ungeeignet eingestellter Abschreibungspolitik und der Nichtanwendung des Restwertes dank hohen Vermögensgegenstandsabschreibungen wiederholt Verluste aus der Geschäftstätigkeit generierten und zugleich Gewinne aus dem Verkauf der abgeschrieben Vermögensgegenstände erzielten, die ursprünglich für die Geschäftstätigkeit genutzt wurden. Als selbständiges Kapitel ist dann die Festlegung der Abschreibungssätze für Zwecke der Buchhaltung identisch mit den Abschreibungen, die für Zwecke der Ermittlung der Körperschaftssteuergrundlage geltend gemacht werden. Solche Abschreibungen des Anlagevermögens haben natürlich mit der realen Nutzungsdauer des von der Gesellschaft genutzten Anlagevermögens nicht viel zu tun.
Bei Kalkulationen der selbstgeschaffenen Vorräte steckt der Fallstrick in dem entweder Inbegriffen oder Nichtinbegriffen einiger Arten der indirekten Kosten in der Kalkulationsformel und in Arten der Gemeinkostenumlegung auf die Kostenträgerstückrechnung. Im Falle der eigenen Leistungen bei Gesellschaften, die Leistungen erbringen, kann es immer noch vorkommen, dass sie ihre internen Prozesse und Systeme so eingestellt haben, die es ihnen ermöglichen geleistete Lieferungen und Leistungen detailliert nach einzelnen Aufträgen und Projekten zu verfolgen, was es nachfolgend unmöglich macht treu und zuverlässig tatsächlich „verdiente“ Erlöse auszuweisen und zum Stichtag zuverlässig den Wert der unfertigen Erzeugnisse oder die Höhe der Erträge künftiger Perioden zu beziffern.
Bei internen Prozessen, die mit der Rechnungslegung zusammenhängen, kommen immer noch Mängel in der Weise der Durchführung der Inventarisierung von Aktiva und Passiva vor. Ein Evergreen ist eine unzureichende Trennung der Befugnisse und Zuständigkeiten sowie fehlende Autorisierungskontrollen, die sog. „Kontrolle mit 4 Augen“. Bei kleineren Gesellschaften kommt es oftmals vor, dass sich die Geschäftsleitung wundert, dass Buchhalter/Innen für eine präzise Erstellung des Jahresabschlusses von der Geschäftsleitung mehr Informationen benötigen, als nur den bloßen Erhalt der Ausgangs- und Eingangsrechnungen, Lohnagenda und Kontoauszüge, und dass die Buchhalter/Innen sich ohne Zusammenwirken der Geschäftsleitung und weiterer relevanten Personen nicht selbst alles Erforderliche ausdenken können. Eine sorgfältig geführte Buchhaltung und präzis erstellte Jahresabschlüsse hängen von der Tüchtigkeit und dem Einsatz der konkreten Mitarbeiter ab, eher dass sie ein Ergebnis gut entworfener (richtig eingestellten und sorgfältig beschriebenen) interner Richtlinien oder Verfahren und geeignet eingeführter (gemeint ist real ausgeübte und z.B. durch Übermittlung von Datenfluss und Informationserteilung unterstützte Informationssysteme) Prozesse und Kontrollmechanismen sind, gerade für die die Geschäftsleitung haftet. In diesen Fällen kann sogar nur der einzelne Austritt eines Schlüsselmitarbeiters der Gesellschaft erhebliche Probleme bereiten.
STEUERN UND VERRECHNUNGSPREISE
27 % der Feststellungen standen im Zusammenhang mit der Steuerproblematik. Da unter unseren Mandanten bedeutend Konzerne und multinationale Unternehmensgruppen vertreten sind, stellten wir am häufigsten Mängel im Bereich der Verrechnungspreisgestaltung fest. In der Praxis handelt es sich beispielsweise um gegenseitige Erbringung von Unterstützungsdienstleistungen (z. B. Rechnungslegung, IT), Verkauf von Erzeugnissen oder Gewährung von Finanzmitteln unter verbundenen Unternehmen. Die Unternehmensgruppe ist in so einem Fall gesetzlich verpflichtet zu beweisen und nachzuweisen, dass die Geschäfte zu üblichen Preisen getätigt werden, die den Fremdvergleichsgrundsatz befolgen, d.h. zu Preisen, die einem gleichen oder ähnlichen Geschäft mit einem nicht verbundenen Unternehmen entsprechen.
Am häufigsten entstehen Risiken, die mit der Neuklassifizierung des Unterschieds in Verrechnungspreisen auf eine versteckte Dividendenausschüttung, mit Nichtabführung der Quellensteuer oder Verstoß gegen die Unterkapitalisierungsregeln bei konzerninterner Finanzierung zusammenhängen.
RECHTSVORSCHRIFTEN
20 % der Befunde hingen mit der möglichen Nichtübereinstimmung von Anforderungen der aktuellen Rechtsvorschriften zusammen. Die Feststellungen für 2020 hingen zum Teil mit der Beurteilung der Auswirkungen der Änderungen im Handelsrecht zusammen und ziemlich oft waren Anmerkungen zur Erfüllung der Pflichten der Veröffentlichung von Angaben zu wirtschaftlich Berechtigten. Für 2020 und im Laufe des Jahres 2021 wiesen wir Firmen oft auch auf die Möglichkeiten der Inanspruchnahme von „Covidunterstützung“ hin, dass sie eine der Arten der Unterstützung beantragen könnten und machten bisher von der Möglichkeit keinen Gebrauch.
INTERNE FIRMENPROZESSE / IT
Sonstige Feststellungen (7 %) im Bereich der konzerninternen Prozesse hingen vorwiegend mit dem IT-Bereich zusammen, insbesondere dann mit der Cybersicherheit. Buchführung erfolgt heutzutage ausschließlich digital. Der Wirtschaftsprüfer muss dann im Rahmen der Wirtschaftsprüfung imstande sein in einem bestimmt erforderlichen Maße auch das sog. IT-Umfeld der geprüften Gesellschaft zu verstehen. Die Feststellungen in diesem Bereich betrafen am häufigsten Mängel die Absicherung in der Verwaltung und im IT-Management, z. B. Politik der Zutrittspasswords; regelmäßige Überprüfung des Zutritts der Nutzer; Unzulänglichkeit der Verfahren für die Verfolgung von Sicherheitsinzidenten auf dem Niveau der lokalen Sicherheitssicherung bei der EDV-Arbeit sowie Verfahren, die Businesskontinuität, Sicherheitsinzidente und Änderungsmanagement im Allgemeinen betreffen.
Das Herantreten der Firmen zu solchen Feststellungen ist unterschiedlich. Manche versuchen sich kontinuierlich zu verbessern, ihre Effizienz zu erhöhen und potentielle Risiken konsequent zu meiden, bei anderen gilt, dass wenn nichts total versagt und es somit nicht nötig ist geeignete Maßnahmen einzuleiten, tun sie nichts. Aber oft passiert es, dass etwas nur einmal und zum ersten Mal versagt. Die Wirtschaftsprüfung selbst ist kein Allheilmittel und es kann nicht rationell erwartet werden, dass der Wirtschaftsprüfer dem Unternehmer oder der Geschäftsleitung ein universales Rezept liefert, wie das Modell seines Business anzupassen, welchen Weg zu gehen, wohin zu investieren, damit die Firma erfolgreicher ist. Damit sich jedoch die Geschäftsleitung mit diesen grundlegenden Fragen beschäftigen kann, kann die Abschlussprüfung als ein Mosaikteil betrachtet werden, der der Geschäftsleitung ein gewisses Maß am Komfort bezüglich zwar laufenden, aber zugleich unentbehrlichen Bereichen der Unternehmenspraxis gewährt, und schafft ihr damit einen Raum zur Konzentration auf strategische Fragen und Prioritäten.
Im Falle der von uns geprüften Gesellschaften war es sehr interessant, die Ergebnisse für 2020 versus 2021 zu vergleichen um zu sehen, wie viele der genannten Empfehlungen sich die Geschäftsleitungen zu Herzen nahmen und ihnen ihre Aufmerksamkeit gleich im Folgejahr schenkten. Nach unserer Untersuchung handelte es sich fast um 40 % aller Feststellungen und zusammenhängenden Empfehlungen.
Jan Macháč, Partner, Audit
jan.machac@bdo.cz